Haushaltsrede 2023

Bei der letzten GR-Sitzung, Mittwoch den 1.3.202, hat Herr Dr. Bäro die Haushaltsrede gehalten.

Die vollständige Rede ist hier nachzulesen.

Herr Oberbürgermeister, Herr Soballa, meine Damen und Herren,

Trotz aller Probleme in dieser Krisenzeit hat uns die Verwaltung einen
Haushaltsplan vorgelegt, der auch in diesem Kriegsjahr 2023 ohne neue
Verschuldung auskommt. Der Ressourcenverbrauch wird durch das
Ressourcenaufkommen gedeckt. Das Ziel des Neuen Kommunalen Haushalts-
und Rechnungswesen (NKHR), die Substanzerhaltung, wird erfüllt; aber zu
welchem Preis? Schuldenabbau zu Lasten von Maßnahmen, die
unbestritten erforderlich sind. Sie selbst haben diese in Ihren Interviews
zum Jahreswechsel erwähnt.
Blicken wir zunächst einmal auf die finanziellen Aspekte, bevor wir uns im
zweiten Teil der aktuellen Situation in Weinheim zuwenden.
Wie sieht es finanziell aus? Zunächst zum Schuldenstand!
Trotz eines weiteren Schuldenabbaus auf voraussichtlich 26 Mio.€ zum Ende
dieses Jahres 2023 zaubern die eingebrachten Änderungen aus einem Verlust
von -433 T€ eine „schwarze Null“ (21 TDM).
Betrachtet man den Schuldenabbau seit 2014, also dem Jahr, in dem Weinheim
das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen einführte, dann können
wir einen Schuldenabbau von – 41 Mio.€ im Jahr 2014 auf – 26 Mio.€ Ende
2023 registrieren oder eine Tilgungsrate pro Jahr von ca. 1, 5 Mio.€.
Dieser Schuldenabbau ist sehr begrüßenswert. Das verschafft Luft für das
berühmte Unvorhergesehene, das uns in diesem Jahr im Finanzhaushalt voll
erwischen wird.
Deshalb sind die Freien Wähler bei dem positiven, ordentlichen Ergebnis einer
„schwarzen Null“ aufgrund von Inflation, Preissteigerungen und
Kriegsauswirkungen sehr vorsichtig.
Wie von der Verwaltung angenommen müssen wir davon ausgehen, dass
Investoren aufgrund der Kostenentwicklung und Belastungssteigerung von
ihren Bauvorhaben speziell in den Allmendäckern zurücktreten. Bereits im
Entwurf des HHP 2023 kann man den Satz lesen: „Ohne die geplanten
Grundstücksverkäufe im Erschließungsgebiet Allmendäcker wäre ein
Finanzierungsmittelüberschuss nicht möglich.“
Geplante Grundstücksverkäufe in den Allmendäckern lassen sich heute leider
nicht mehr erwarten. Investoren beabsichtigen von ihren Bauvorhaben aufgrund
der unerwarteten Belastungen zurückzutreten. Die Entwicklung des neuen
Wohngebietes wird sich in die Folgejahre verschieben und damit auch das
ursprünglich veranschlagte Sonderergebnis von 11,4 Mio.€, das für dieses Jahr
auf 0 € gesetzt wird.
Das bedeutet, dass aus einer ursprünglich veranschlagten Erhöhung der
Finanzierungsmittel und damit der Liquidität in diesem Jahr eine Reduktion, ein
Finanzierungsmittelbedarf, von 10,7 Mio.€, entsteht, was sich auch in den
Folgejahren niederschlägt. Die Konsequenz ist, dass die Liquidität wie
geschildert von 47,2 Mio.€ Ende 2022 auf 3,3 Mio.€ Ende 2026 absinkt; der
Wert liegt gerade noch über der voraussichtlichen Soll-Liquidität von ca. 3,1
Mio.€. Das bedeutet, dass wir den Schuldenabbau nicht weiter bedienen
können. Neue, unvorhergesehene Belastungen lassen sich nur über
Kreditaufnahmen finanzieren, und das unter dem Damoklesschwert sinkender
Gewerbesteuern, wenn sich die anvisierten Ziele nicht erreichen lassen.
Im vorgelegten Haushaltsplan werden Einnahmen aus der Gewerbesteuer von
42 Mio.€ angesetzt. Meine Damen und Herren, das ist der höchste Ansatz
für Gewerbesteuern seit der Einführung der NKHR im Jahr 2014.
Auch wenn es im Entwurf des HHP 2023 heißt, dass sich für das vergangene
Haushaltsjahr 2022 „im Ergebnishaushalt … beim ordentlichen Ergebnis
eine Verbesserung von ca. 21,3 Mio.€ abzeichnet,“ wobei allein die
Gewerbesteuer 16 Mio. € zusätzlich eingebracht hat, müssen wir aufgrund der
wirtschaftlichen Entwicklung sehr vorsichtig sein, wenn Investitionen wie in
den Allmendäckern nicht stattfinden.
Der hohe Gewerbesteuerertrag des Jahres 2022 wird sich in 2024 deutlich
negativ auf die Leistungen aus dem Finanzausgleich auswirken. Im gesamten
Finanzplanungszeitraum wird jeweils ein negatives ordentliches Ergebnis
erwartet (2024: 17,04 Mio. Euro, 2025: 7,06 Mio. Euro, 2026: 2,36 Mio Euro).
Also alles in allem eine missliche, aber nicht aussichtslose Situation, die es jetzt
zu meistern gilt.
Was bedeutet das für uns in Weinheim?
Wir müssen alle freiwilligen Maßnahmen mit Mehrkosten aufgrund
zusätzlicher Verwaltungsarbeit zurückstellen. Hierzu zählt z.B. eine
einkommensabhängige Gebührenstaffelung der Kita-Gebühren.
Für uns als Freie Wähler Weinheim kommt auch keine kommunale
Wohnungsbaugesellschaft in Betracht. Immer dann, wenn Sanierungen und
Instandsetzungen im Baubestand der Stadt Weinheim fällig wurden, ließ sich
dies nur mit Mühe umsetzen. Wie hieß das in früheren Jahren: Dafür habe man
kein Geld. Den Anforderungen könne man nur dann gerecht werden, wenn Leib
und Leben in Gefahr sei.
Die Bausubstanz muss erhalten werden und der Ausbau der Infrastruktur darf
nur sehr vorsichtig erfolgen, um zu vermeiden, dass wegen Personalmangels
dringend erforderliche Sanierungen zurückgestellt werden müssten. Die
Sanierung und Instandsetzung unserer Infrastruktur muss Vorrang haben.
Wir sind froh, dass die Sanierungsarbeiten im Schloss erfolgreich
abgeschlossen werden konnten. Aber da gibt es andere Einrichtungen, bei
denen noch viel zu tun ist, was sich an den eingebrachten Anträgen zum HHP
zeigte.
Unser Focus richtet sich auf den Zustand der städtischen Anlagen und Gebäude.
Wir bedauern es, dass unser Antrag zur Erneuerung der Fenster in der
Bibliothek abgelehnt wurde, da die Verwaltung andere Prioritäten setzt. Für uns
bedeutet das, dass wir auf diesen Antrag im nächsten HHP für das Jahr 2024
zurückkommen werden. Wir werden uns die Fenster der Bibliothek genau
ansehen, um Heizkosten einzusparen und die Nutzbarkeit der Bibliotheksräume
zu verbessern. Dass hier Bedarf besteht, bestätigte uns die Verwaltung. Aber
die Prioritäten liegen auf anderen Maßnahmen. Das sehen wir nicht so. Deshalb
werden wir diese Maßnahme weiterverfolgen.
Bereits 2022 sollte die Neubauplanung des Kindergartens Waid starten. Im
letzten Jahr war deshalb eine Planungsrate dafür vorgesehen. Dass der Neubau
des Kindergartens Waid dringend erforderlich ist, hat uns die Verwaltung im
Dezember 2022 in der Stellungnahme bestätigt. Die Planung der Kita Waid war
im Haushaltsjahr 2022 vorgesehen. Wir werden diese Kita dringend benötigen,
auch wenn die bislang vorliegenden Prognosen ein anderes Bild vermitteln. Wir
möchten auf jeden Fall vermeiden, dass sich wieder Verzögerungen ergeben,
weil man sich über die Rahmenbedingungen nicht verständigen kann, um die
Bauarbeiten im Jahr 2025 zu vergeben. Weitere Verzögerungen dürfen nicht
auftreten.
In diesem Zusammenhang sehen wir auch unseren Antrag zur Erneuerung des
Sportplatzgebäudes in Sulzbach und zur Sanierung der Umkleidekabinen im
Sepp-Herberger-Stadion, den wir aufgrund des aufgezeigten Personalmangels
zurückgezogen haben.
Auch hierzu hat uns die Verwaltung Handlungsbedarf bestätigt, aber
gleichzeitig aufs fehlende Personal zur Abarbeitung der Maßnahmen
hingewiesen. Als Freie Wähler Weinheim erinnern wir noch einmal daran, dass
die Sanierung in 2024 erfolgen muss, so dass wir Anfang 2025 damit fertig
sind; oder wollen wir uns mit diesen Anlagen, die auch ein Schaufenster
unserer Stadt sind, bei den Heimattagen 2025 blamieren?
Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass wir den Antrag Mittel für das
Projekt „Sport um Mitternacht“ aus dem Jugendgemeinderat genauso
unterstützen wie den der Schulen auf Einstellung von Haushaltsmitteln für die
Umsetzung von Projekten und Maßnahmen zu Prävention und sozial-
emotionalem Lernen. Alles, was dazu dient, um Gewalt und Erniedrigung bei
Jugendlichen in den Griff zu bekommen, hat unsere volle Unterstützung. Diese
beiden Anträge sind dazu wichtige Mosaiksteine, um in Weinheim
Jugendkriminalität und Mobbing möglichst frühzeitig zu erkennen und zu
ersticken.
Trotz dieser wenig schönen Aussichten sind die Worte unseres
Oberbürgermeisters: „Ich hätte mir noch schlechtere Zahlen vorstellen
können“" eine wichtige Mahnung, um die anstehenden Aufgaben zu
bewältigen. Die Wirtschaftskraft, die vorhandene Kaufkraft, der Stadt muss
erhalten bleiben und gesteigert werden, um unsere kostspielige Infrastruktur
und das friedliche soziale Miteinander zu gewährleisten.
Und dazu zählen auch die Maßnahmen, die wir im Gemeinderat zu diesem
Haushaltsplan verabschiedet haben, genauso wie der breit angelegte
Partizipationsprozess zur Zukunftswerkstatt. Für die Freien Wähler Weinheim
ist es wichtig, dass wir die Stadtentwicklung in ein Fahrwasser bringen, das
vom Miteinander geprägt wird. Es geht nicht ums Entweder-oder, es gilt das
Sowohl-als-auch, was sich auch in diesem Haushaltsplanentwurf erkennen lässt.
Wir hoffen und wünschen, dass sich die vorliegende Haushaltssatzung für 2023
und die Finanzplanung bis 2026 umsetzen lässt. Die Fraktion der Freien Wähler
Weinheim stimmt den Beschlussanträgen zum Haushaltsplan 2023 zu.
Unser Dank gilt Ihnen, Herr Oberbürgermeister, und Ihnen, Herr Soballa, sowie
allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für ihren Einsatz
und ihre stete Bereitschaft, unsere Fragen zu beantworten. Auch den
Ortschaftsräten und Ortsvorstehern sowie den Kolleginnen und Kollegen dieses
Hauses danken wir für die gute, sachliche Zusammenarbeit.
Unser besonderer Dank gilt den ehrenamtlich Tätigen. Durch ihr Engagement
bringen sie Empathie ins Leben unserer Stadt.
Dank gilt aber vor allem unseren Steuerzahlern für ihren finanziellen Beitrag
zur Entwicklung Weinheims. Zum Schluss geht noch ein herzlicher Dank an die
Pressevertreter, die unsere Arbeit kritisch und konstruktiv begleitet haben.

Für die Fraktion der Freien Wähler Weinheim
G. Bäro

Das gesprochene Wort gilt.