Die Geschichte der Freien Wähler Weinheim

1947-1950 1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000


Die Freien Wähler Weinheim von 1971 bis 1980

1971

Richard Freudenberg

Richard Freudenberg legte sein Gemeinderatsmandat nieder, nachdem er 50 Jahre lang als Gemeinderat der Stadt gedient hatte. Sein Wirken und sein segensreicher Einfluss waren gar nicht zu messen. Mit ihm verlor die Gemeinde außerdem einen großzügigen Mäzen. An seine Stelle im Gemeinderat wurde sein Neffe, Dieter Freudenberg gewählt und setzte das Werk sein Onkels fort. Hans Hohmann wurde zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Ab der Wahl 1971 vertraten die FWV im Gemeinderat:
Herbert Schneider, der letzte Mitbegründer der PWV 1947, ohne Unterbrechung wiedergewählt, Hans Hohmann, Viktor Bär, Wilhelm Fabricius, Dr. Helmut Pönisch, Dieter Freudenberg und Ernst Kinscherf.

Die neu strukturierte FWV erhielt erstmals eine vereinsrechtliche Organisation und wurde von Hans Hohmann geführt. Während im Jahre 1972 das Hauptaugenmerk sehr vieler Bürger auf die Olympischen Spiele im Winter in Japan und im Sommer in München gerichtet war, vollzog sich eine grundlegende Neuordnung durch die vom Land angeordnete Verwaltungsreform, auch Eingemeindung genannt.


Eingemeindung 1972

In freiwilligen Verhandlungen sollten um eine größere Einheit herum Dörfer und kleinere Gemeinden sich zu einer größeren Einheit zusammenschließen. Mit den in Frage kommenden Gemeinden wurde verhandelt. Im Laufe des Jahres 1972 erklärten sich Oberflockenbach mit Steinklingen und Wünschmichelbach, Hohensachsen, Lützelsachsen, Rippenweier, Ritschweier und Sulzbach zu dieser Vereinigung bereit. In Sulzbach setzte sich vor allem Ernst Hilkert, später Stadtrat der FWV, für den Anschluss an Weinheim ein.

Gemäß den Vereinbarungen traten die Gemeinderäte der vorher selbständigen Gemeinden zum Weinheimer Gemeinderat. Das waren für die FWV von Oberflockenbach Adam Fath, von Sulzbach Ernst Hilkert, von Hohensachsen Hermann Gaber, Walter Jöst und Konrad Mittenzwei, von Lützelsachsen Eugen Koch, Ludwig Trautmann und Franz Usleber, von Ritschweier Jochen Berndt und von Rippenweier Xaver Bammert und Erich Deobald.

Lützelsachsen war die letzte Gemeinde, die am 31.12.72 den Eingemeindungsvertrag unterschrieb.

Hinzugekommenen war die Fraktion der FWV zahlenmäßig so stark geworden, dass das jahrzehntelang für Fraktionssitzungen und Versammlungen genutzte Nebenzimmer der Gaststätte „Zum Ratskeller“ nicht mehr ausreichte. Größere Räume mussten gesucht werden. Man einigte sich darauf, auch die neuen Weinheimer Stadtbezirke einzubeziehen und reihum Sitzungen in Örtlichkeiten (meist Gaststätten) dort abzuhalten, um ein neues Gemeinschaftsgefühl wachsen zu lassen.

25 Jahre P W V

Im November 1972 jährte sich der Tag zum 25. Male, an dem die PWV gegründet worden war. Statt Gedenk- oder Jubelfeiern beschloss die FWV, eine Stiftung zu machen, die jeweils einen Geldbetrag in Höhe von 2.000,- DM an Personen oder Institutionen ausschütten sollte, die sich in irgendeiner Form durch bürgerschaftliche Aktivitäten verdient gemacht hatten. Sie hieß „Stiftung Bürgerinitiative“.

1973an den von Fritz Oberst geleiteten Kammerchor Kurpfalz und an den Stadtjugendring,
1974an die Gemeindeschwester Hedwig Daum,an den Deutschen Amateur-Radio-Club, an die Interessengemeinschaft Körperbehinderter, an den Knabenchor „Bachlerchen“,
1975an den Karnevalsverein „Weinheimer Blüten“ für bürgerschaftliche Aktivitäten wie die Stiftung einer Sonnenuhr im Stadtpark und den „Weinheimer Wortschatz“,
1976zu Teilen an 3 Familien für die Betreuung von Behinderten.

Mit den Bürgerschaftsvertretern aus den eingemeindeten Ortschaften war der Bürgersaal des Schlosses, Sitzungssaal des Gemeinderats, mit seiner bisherigen Sitzordnung zu klein geworden. Man fand eine Lösung, indem die Sitzreihen um 90 Grad gedreht wurden. Die Kopfseite befand sich nun in Längsrichtung des Saales.

1973 war der Kreisrat neu zu wählen. Für die FWV zogen ein: Theo Gießelmann, Hans Hohmann, Ludwig Trautmann und Lothar Bock.


1974 – 1975

Die Kandidatur und der Sitz für Theo Gießelmann ergaben sich aus einer Vereinbarung bzw. Zustimmung aller Weinheimer Gemeinderatsfraktionen. Nach neuester gesetzlicher Regelung waren Bürger- und Oberbürgermeister nicht mehr Mitglieder des Kreisrats kraft Amtes. Da man aber Wert darauf legte, ein Mitspracherecht des Stadtoberhauptes im Kreistag zu sichern, kandidierte er auf der Liste der FWV und wurde gewählt. Er initiierte auch ein übergemeindliches Großprojekt in Form eines Wasser- und Abwasserverbandes für die gesamte Region, das kostensparend und effektiv für alle beteiligten Gemeinden die immer dringlicher werdenden Abwasserprobleme lösen sollte.

1974 wurde der zweite Erweiterungsbau für das Gymnasium, der wie schon bei früherer Gelegenheit durch eine Spend der Familie und der Firma Freudenberg in Höhe von 600.000 DM in Gang gebracht worden war, vollendet und schaffte dem trotz Gesamtschule überquellenden Gymnasium Luft.

Der Gemeinderat beschloss auch einen Bebauungsplan für das Gewann „Mult“, womit noch einmal ein umfangreiches Geländeareal für Wohnbebauung erschlossen werden sollte.

Aber schon zogen Gewitterwolken am Finanzhimmel auf. Der Zeitraum des „Wirtschaftswunders“ schien sich dem Ende zu nähern, und man war sich klar und sprach das auch von allen Seiten aus, dass in Zukunft „kleinere Brötchen würden gebacken werden müssen“.

1975 verstarb, 83-jährig, Altstadtrat Richard Freudenberg. Mit ihm verlor die FWV in Weinheim ebenso wie im Kreis und im Land einen bedeutsamen Aktivisten unter den nicht parteipolitisch Gebundenen. Die Stadt verlor einen wertvollen Berater und einen stets dem Wohl der Stadt und ihrer Bürger(innen) verpflichteten Bürger.

Die Gemeinderatswahlen 1975, erstmals mit den eingemeindeten Ortschaften, verlief für die FWV unerfreulich. Die große Gruppe von 18 FWV-Vertretern schmolz auf 6 von insgesamt 40 Ratssitzen.
Für die nächsten 5 Jahre vertraten die FWV Hans Hohmann, Herbert Schneider, Dieter Freudenberg, Dr. Helmut Pönisch, Ludwig Trautmann und Viktor Bär. Als dieser starb, rückte Wilhelm Fabricius nach.


1977 – 1978

1977 erschien schon am Jahresanfang die Finanzdecke beim Erstellen des Haushaltsplans so eng, dass, wenn eine Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes vermieden werden sollte, äußerste Sparsamkeit erforderlich werden würde. Die Sprecher der Fraktionen im Gemeinderat machten Vorschläge für Einsparmöglichkeiten abgesehen vom Verzicht auf weitere Groß-Investitionen. Erfreulicherweise sah die Finanzlage am Jahresende nicht mehr ganz so bedenklich aus wie am Jahresanfang. 

1978 wurde beherrscht von vielerlei Konfrontationen. Die Frage einer dominierenden Ost-West-Straßenverbindung entweder durch die Stadt, am Hang oder durch einen Tunnel bewegte nicht nur die Fraktionen des Gemeinderats, sondern die gesamte Bevölkerung. Nicht minder brisant verlief die Diskussion um den Bau eines dringend erforderlichen Hotels am Rande des Waidsees, die mit einem Bürgerentscheid zugunsten der Hotelgegner endete. 

Hohe Wogen schlug die Frage der Nutzung des Heinzerlingschen Grundstücks mit dem Haus „Tanneck“ zwischen Bender-, Bahnhof-, Ehret- und Institutstraße. Der Streit nahm kein Ende. Hinzu kamen heftige Diskussionen um den Bau eines Einkaufszentrums über der Kreuzung B 38 / Westtangente. Entschieden wurde zunächst nichts.

Auf der Jahreshauptversammlung des Landesverbands Baden-Württemberg der Freien Wähler 1978 in Karlsruhe wurde der Fraktionsvorsitzende der Weinheimer FWV, Hans Hohmann, zum Landesvorsitzenden gewählt. Er musste nun seine Kraft auf Gemeinde, Kreis und Land verteilen. Die Weinheimer Freunde fühlten sich zwar mit geehrt, waren jedoch besorgt, ob nicht sein Einsatz für die Gemeinde unter den großen Aufgaben leiden würden. Die Befürchtungen waren unbegründet. Seine Heimatstadt stand immer nach seinem Beruf an erster Stelle.


1979 – 1980

1979 war es 30 Jahre her, dass die PWV mit ihrer Stadtratsfraktion ein loser Freundeskreis gewesen war. Es schien an der Zeit, ihn in eine Gemeinschaft mit fester Struktur als Verein umzuwandeln. Das geschah in aller Form mit dem Erlass einer Satzung für den Stadtverband der Freien Wählervereinigung und dem Eintrag ins Vereinsregister.

„Der Zweck des Vereins ist ausschließlich darauf gerichtet, durch Teilnahme an Wahlen auf Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken.“

1. Vorsitzender: Hans Hohmann, 2. Vorsitzender Herbert Schneider, Schatzmeister Hans Hildenbrand, Schriftführer Dr. Helmut Pönisch, Geschäftsführer: Eugen Koch, Beisitzer Stadt Reinhold Peppel für die Weststadt, Helene Gerbig für die Frauen, Beisitzer Ortsteile Frau Nick für Lützelsachsen, Hermann Gaber für Hohensachsen, Ernst Schröter für Oberflockenbach, Xaver Bammer für Rippenweier, Jochen Bernd für Ritschweier, Werner Scheuber für Sulzbach, Rechnungsprüfer Ludwig Trautmann und Josef Reiter.

Mit der Gründung des Vereins war die Absicht verbunden, die 6 Gemeinderäte in eine größere Gemeinschaft einzubinden. Kandidaten für weitere Wahlen sollten geworben werden. Für die Ausschüsse des Gemeinderats waren sachkundige Personen zu benennen. Die Verbindung zu den Stadtbezirken sollte gefördert und vertieft werden, und ein Gemeinschaftsgefühl sollte durch soziale und gesellige Aktivitäten entwickelt werden.

Das geschah durch die Erinnerung an den „Tag der Älteren Generation“, den seinerzeit noch Bundespräsident Walter Scheel proklamiert hatte. Jedes Jahr Anfang April sollte der älteren Mitbürger besonders gedacht und ihr Beitrag zur gesunden Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt werden. Die Freien Wähler Weinheim nahmen diesen Gedanken erstmals 1975 auf durch die Einladung aller Frauen und Männer über 60 Jahre ins Kerwehaus zu Kaffee und Kuchen, fröhlicher Musik, Gesprächen und Vesper zum Abschied. Nunmehr 22 Jahre lang fand der Gedanke Jahr für Jahr großen Anklang. Das Kerwehaus war immer gut gefüllt. Angehörige des Stadtverbands der Freien Wähler Weinheim übernahmen die Bewirtung, und die Gäste freuten sich über die Art und Weise, wie ihrer Verdienste gedacht wurde.

Um die Arbeit der FWV-Gemeinderäte zu unterstützen, bildete der Stadtverband mehrere Arbeitskreise von 5 – 10 Personen, in denen Probleme bestimmter Sachgebiete erarbeitet wurden, z.B. Industrie, Handel und Gewerbe, Verkehr, Soziales, Freizeit und Sport, Schulen und Kultur, Heimat- und Denkmalspflege sowie Umwelt. Die Ergebnisse wurden der Gemeinderatsfraktion als Entscheidungshilfe zugeleitet.

Der ehemalige PWV-Stadtrat Philipp Pflästerer, der zu seinen Kindern nach Kanada ausgewandert war, stiftete der Stadt 60.000 DM zur Einrichtung eines Kinderspielplatzes. Die Stadt baute dafür einen Bolzplatz im Kastanienwald hinter dem Schlosspark. Als Hinweis und zur Erinnerung an Philipp Pflästerer ließ der Stadtverband der FWV am Waldweg zum Bolzplatz einen Stein in Form eines beschrifteten Rohlings aufstellen.    


1980

Bei den Gemeinderatswahlen 1980 schied Wilhelm Fabricius wegen seines hohen Alters aus. Die FWV-Fraktion wurde verstärkt durch Annel Müller und Ernst Noe, der nach seiner Pensionierung als Forstamtmann wählbar geworden war.