Die Geschichte der Freien Wähler Weinheim

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Die Freien Wähler Weinheim von 1951 bis 1960

Im Januar 1951 war, den Vorschriften entsprechend, die Hälfte des Gemeinderats neu zu wählen. Alle politischen Parteien mussten Stimmenverluste hinnehmen.

Nur die Parteilose Wähler-Vereinigung (PWV) verzeichnete einen Zuwachs von 45 %, nicht zuletzt deshalb, weil in Weinheim die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nicht mit einer eigenen Liste auftraten. Von den 15 zu vergebenden Gemeinderatssitzen erreichte die PWV 7 Mandate, die SPD 5, die CDU 2 und die KPD 1 Mandat. Für die nächsten drei Jahre waren von insgesamt 30 Stadträten 12 Vertreter der PWV, 10 der SPD, 5 der CDU, 3 der KPD.

Mit 7.288 Stimmen erreichte Dr. Friedrich Meiser (PWV) mit Abstand das beste Ergebnis aller Bewerber vor Philipp Pflästerer (PWV) mit 5.548 und Armin Hördt (PWV) mit 5.318 Stimmen. Die Vorherrschaft der Parteilosen hatte sich also noch mehr vergrößert, ein schöner Vertrauensbeweis durch die Bevölkerung.

Mit Marianne Zaiser und Kurt Höhn schieden zwei Stadträte der PWV aus, dafür verstärkten der Jurist Dr. Hermann Hubert, der Gastwirt Philipp Zinkgräf, der Verwaltungsjurist Dr. Fritz Meiser, der Student Karl Bär und die Hausfrau Lydia Burschel die PWV-Mannschaft im Gemeinderat. Lydia Burschel war wie ihre Vorgängerin Marianne Zaisel die einzige Frau im Gemeinderat und Karl Bär, kurz vor dem Ende eines Chemiestudiums, der weitaus jüngste Stadtrat. Die Überlegenheit der PWV wurde erreicht ohne feste organisatorische Struktur.

Die Mitglieder der Fraktion und ihre Freunde trafen sich regelmäßig vor den Gemeinderats-Sitzungen zur Besprechung der Sitzungsunterlagen und Diskussion der Verhaltensweise in den Sitzungen. Es gab keine Satzung. Alle Wesenselemente eines Vereins fehlten. Die PWV damals war ein lockerer Freundeskreis von Menschen aus vielen Bereichen des Lebens, von denen jeder die Sachkenntnis seines beruflichen Umfelds in die Besprechungen einbringen konnte. In den internen Sitzungen wurde heftig diskutiert und auch viel gestritten, aber immer ging es um die Sache und um den besten Weg zur Lösung eines Problems.

Der PWV-Stadtrat Philipp Pflästerer, einer der Aktiven des Vereins „Alt-Weinheim“, war Hauptorganisator eines großen Trachtenfestes mit Gastgruppen aus dem Schwarzwald, der Pfalz und der Schweiz anstelle der üblicherweise im Herbst durchgeführten Kerwe. Die Veranstaltung war ein großer Erfolg.

Der junge Stadtrat Karl Bär trat erstmals in Erscheinung, als er, gleichzeitig Vorsitzender des Stadtjugendrings, auf die Planung eines Jugendheims im Bürgerpark drängte. Er hatte Erfolg. Im Folgejahr begann der Bau, der schon im Juni 1953 seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Allerdings konnte der schmucke Bau zunächst nicht allein von Jugendgruppen für ihre Arbeit genutzt werden. Zeitweise belegten Klassen des überfüllten Gymnasiums die Räume, und an etlichen Abenden wurden auch Vorträge der Volkshochschule dorthin verlegt.

Dr. Fritz Meiser gehörte dem Gemeinderat nicht lange an. Nach dem Tode des bisherigen Bürgermeisters Ludwig Bohrmann wählte ihn der Gemeinderat mit 20 von 31 Stimmen als Nachfolger in das Amt, das er schon vor dem Kriege innegehabt hatte.

In die PWV-Fraktion des Gemeinderats rückte an seiner Stelle der Landwirt Karl Rödel nach, der das Vertrauen seiner Berufskollegen besaß und ihre Interessen bei der geplanten Umsiedlung von Bauernhöfen aus dem Stadtkern und der Neuschaffung von Siedlerstellen am Westrand des Stadtgebiets (Waid und Bertleinsbrücke) im Gemeinderat vertreten sollte.

Aus Anlaß seines 60. Geburtstages stiftete der PWV-Stadtrat Richard Freudenberg 100.000 DM als Grundstock für den Erweiterungsbau des Gymnasiums, der dringend erforderlich war, allerdings nur unter der Bedingung, dass Stadt und Land mindestens die gleichen Beträge zur Verwirklichung des Projekts zur Verfügung stellten. Das geschah, und auf der Basis von 450.000 DM Baukosten begann die Realisierung des Projekts durch einen Architektenwettbewerb.

Schon bald stellte sich heraus, dass der angesetzte Betrag nicht ausreichen würde, Abstriche an der Planung jedoch auch nicht sinnvoll oder möglich waren. Die zusätzliche Kreditaufnahme der Stadt von 300.000 DM schockierte die Stadtväter zunächst, zumal auch das Städtische Krankenhaus unter großer Raumnot litt und dringend hätte vergrößert oder neu gebaut werden müssen. Aber man blieb dabei, zunächst dem Gymnasium zu helfen.

PWV-Stadtrat Herbert Schneider machte sich zum Sprachrohr des Sport treibenden Teils der Bevölkerung. Um die Belange des Sports bei der Stadt und im Gemeinderat besser vertreten zu können, regte er die Schaffung eines Stadtausschusses für Leibesübungen an. Der Gemeinderat folgte diesem Gedanken und installierte einen solchen Ausschuss unter der Leitung von Bürgermeister Dr. Meiser.

1953 steigerten sich die Anforderungen für vieles dringend Notwendige, angefangen vom Wohnungsbau über das erweiterte Gymnasium, die geplante Krankenhaus-Erweiterung, zumal in diesem Jahr Deutsche aus der sowjetisch orientierten DDR massenweise in den Westen flohen und den Wohnraumbedarf zusätzlich erhöhten. Die zunehmende Industrie-Produktion führte zwar zu steigenden Gewerbesteuer-Einnahmen für die Stadt, aber die vielen und gewichtigen Bauprojekte zwangen zu dauernden Erwägungen über höhere Verschuldung. Dazu war viel Optimismus erforderlich.


1953

Im November war schon wieder die Neuwahl einer Hälfte des Gemeinderats fällig.

Der Anteil der Parteilosen Wähler-Vereinigung erhöhte sich nochmals um einen Sitz, den der Werklehrer und spätere Ausbildungsleiter Otto Eschwey errang. Mit 13 von insgesamt 30 Vertretern im Gemeinderat gegenüber 9 der SPD, 6 der CDU und 2 der KPD erreichte die PWV eine Majorität, wie sie niemals später wieder erreicht werden konnte.

Weil im Kreistag immer wieder Angelegenheiten erörtert und beschlossen wurden, die auch die Stadt Weinheim betrafen, beschloss die PWV, sich auch an der Wahl der Vertreter zum Kreistag zu beteiligen. Als Vertreter der PWV für Weinheim zogen Richard Freudenberg, Karl Ebert und Hans Maier in den Kreistag ein.

Außer dem Erweiterungsbau für das Gymnasium musste sich der Gemeinderat 1953 zum Neubau des Feuerwehrgerätehauses neben dem Krankenhaus und dem Beginn der Verdohlung des Grundelbaches im Stadtgebiet entscheiden, weil hierbei von anderer Stelle geleistete Zuschüsse die Finanzierung erleichterten. Über das Krankenhaus wurde noch nicht entschieden. Die Diskussion darüber, ob an der Stelle des bestehenden Hauses eine Erweiterung vorgesehen werden sollte oder an anderer Stelle ein Neubau, ging im Gemeinderat hin und her. Alle waren sich einig, dass der derzeitige Standort nicht ideal war. Aber die Gesamtsumme, die für ein neues Haus an anderer Stelle erforderlich sein würde, schreckte viele Gemeinderäte davon ab, ihre Zustimmung zu geben. Ein sehr wesentlicher Grund dafür war die Tatsache, dass die geplante Verdohlung des Grundelbaches im Stadtgebiet zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse aus dem Gorxheimer Tal mindestens als ebenso wichtig erachtet wurde und die Stadt hierfür einen beträchtlichen finanziellen Anteil würde tragen müssen.

Als Vorleistung hierfür war der Bau eines Regenrückhaltebeckens im Gorxheimer Tal erforderlich. Als dringendes weiteres Bedürfnis stand der Neubau eines Feuerwehrgerätehauses auf der Planungsliste. Schließlich schien der Bau einer Schule in der Weststadt infolge des Bevölkerungswachstums erforderlich. Es blieb nichts anderes übrig, als eine vernünftige, finanzpolitisch tragbare Reihenfolge festzulegen und zu beschließen.


1954

Am Jahresanfang 1954 war die Amtszeit des Oberbürgermeisters abgelaufen. Als Gegenkandidat trat nur sein Stellvertreter, Bürgermeister Dr. Fritz Meiser auf. Es bestand kein Zweifel, dass auch er die Fähigkeit zum Stadtoberhaupt nachweisen konnte. Aber Rolf Engelbrecht hatte sich bewährt, und selbst die PWV, zu der Dr. Meiser gehörte, sah keine Veranlassung, den bisherigen Amtsträger nicht wiederzuwählen. Dr. Meiser vertraute auf seine Bekanntheit in der Stadt, aber die Mehrheit der Bevölkerung bekannte sich zu Rolf Engelbrecht für eine weitere Amtszeit von 12 Jahren.

Die Einweihung des Erweiterungsbau am Gymnasium war der kommunalpolitische Höhepunkt des Jahres. Mit einem Bauzuschuss in Höhe von 300.000 DM durch die Familie und die Firma Freudenberg wurde im darauf folgenden Jahr die Erweiterung des Krankenhauses vollendet. Im übrigen stand das Jahr ganz und gar unter dem Eindruck der Festlichkeiten zur 1200-Jahrfeier der Stadt.

Obwohl mit dem Bau des 3. Pavillons der Bachschule, der Vollendung des Feuerwehrgerätehauses, dem Baubeginn einer Weststadtschule immer neue große Brocken zu bewältigen waren, hatten die Gemeinderäte keine schlaflosen Nächte wegen der Finanzierung. In der Bundesrepublik hatte das sogenannte „Wirtschaftswunder“ begonnen.

Infolge gestiegener Gewerbesteuer-Einnahmen von 600.000 DM und weiterer Zuwendungen vom Land war ein Nachtragshaushalt erforderlich mit positiven Akzenten.

Im April des Jahres 1956 hatte der Gemeinderat darüber zu entscheiden, ob für Weinheim eine Gemeinderats- oder Bürgerausschuss-Verfassung eingeführt werden solle.

Nach der Gemeinderatsverfassung würden hinfort 24 Gemeinderäte das Stadtparlament bilden, nach der Bürgerschaftsverfassung 14 Gemeinderäte und die doppelte Zahl Stadtverordnete, also 42.
Der Weinheimer Gemeinderat entschied sich einstimmig für die erstere Lösung.


1956 – 1959

Bei der Kommunalwahl im November stand diesmal, wie bisher, die Hälfte der Sitze zur Disposition. Als Ergebnis erhielt die SPD 5 Sitze, die PWV 4, die CDU 2.Neu war das Auftreten eines Mittelstandsblocks (der FDP nahestehend) und eine unabhängige Wählergruppe anstelle der KPD. Beide erhielten je 1 Sitz. Die Verluste der PWV waren durch die Bildung des Mittelstandsblocks verursacht. Trotzdem blieb weiterhin die PWV mit insgesamt 9 Sitzen stärkste Gruppe im Gemeinderat auch bei nunmehr nur noch 24 Sitzen. Ihre Vertreter waren Richard Freudenberg, Dr. Adalbert Köhler, Herbert Schneider, C.G.Müller, Karl Kreis, Philipp Zinkgräf, Philipp Pflästerer, Otto Eschwey, Hermann Langer, (im Laufe der Wahlperiode nachgerückt für Philipp Pflästerer Lydia Burschel).

Wie in Weinheim hatten sich nach dem Kriege in den Landesteilen Württemberg und Baden parteiunabhängige Gruppen für die Mitarbeit in der Kommunalpolitik entwickelt und z.T. großen Einfluss gewonnen. Es ist verständlich, dass dies den politischen Parteien gar nicht behagte und sie immer wieder versuchten, durch Änderung der Kommunalwahl-Gesetze die Hürden für diese Freien Wählervereinigungen immer höher zu stellen oder sie ganz auszuschalten. Daraus ergab sich immer wieder die Notwendigkeit, ihre Interessen gegenüber der Landesregierung, dem Parlament und besonders den Parteien zur Geltung zu bringen.

Zu diesem Zwecke wurde 1956 ein Landesverband der Freien Wählervereinigung Baden-Württembergs gegründet. Initiator und Hauptaktiver war der Chefarzt des Mosbacher Kreiskrankenhauses, Dr. Erich Weiler. Die Weinheimer Freien Wähler standen an seiner Seite. Zu den Gründungsmitgliedern, die die offizielle Eintragung des Verbandes ins Vereinsregister beim zuständigen Stuttgarter Gericht vorbereiten sollten, gehörte Elisabeth Haberkorn, politische Sekretärin Richard Freudenbergs, für die Weinheimer PWV.

Im Verlaufe der Jahre hat sich Richard Freudenberg um die Entwicklung dieses Landesverbandes sehr verdient gemacht. In der alljährlichen stattfindenden Hauptversammlung des Landesverbands in Stuttgart wurde ihm 1962 die Ehrenmitgliedschaft verliehen.

Zusammen mit den Vertretern der SPD, gegen die Stimmen von CDU, Mittelstandsblock und Leonhard Seib setzte sich 1958 die PWV für ein großes Sportprojekt ein, nämlich den Bau eines Gebäudekomplexes, der unten ein Hallenbad und oben eine große Sporthalle enthalten sollte. Das Unternehmen war wegen seiner Größe und Bedeutung so brisant, dass dazu erstmals in Weinheim eine Bürgerversammlung einberufen wurde. Die Finanzierung sah eine Kostenteilung zwischen Stadt und dem Sportverein TSG 1862 vor, der als Anteil das ihm gehörige Gelände des Jahnplatzes und den heutigen großen Parkplatz an der Institutstraße/Karlsberg einbrachte.

100.000 DM lagen schon jahrzehntelang bereit aus einer Stiftung des Ehepaares Walter Freudenberg, die die Familie und die Firma Freudenberg gewährte Hilfe in Höhe von 1 Million, der Rest musste anteilsweise aus den Haushalten 1958-1960 aufgebracht werden. Die Mehrheit der Bevölkerung sprach sich dafür aus.

Auf dem Gelände an der Naturin, wo der FV 09 seinen Sportplatz hatte, wurde das Projekt in Angriff genommen. Selbstverständlich wurde dem FV 09 Ersatz für den Sportplatzverlust zugesagt. Im gleichen Jahre beschloss der Gemeinderat einstimmig einen Bebauungsplan für die Südstadt zur Erweiterung der Wohnbebauung von der Prankelstraße bis an die Stadtgrenze nach Lützelsachsen, ein weiterer großer Schritt zur Verringerung der noch immer gravierenden Wohnungsnot.

Stadtrat Richard Freudenberg wurde aus Anlaß seiner 40-jährigen Zugehörigkeit zum Gemeinderat durch eine Urkunde geehrt.Die Halbzeitwahl zum Gemeinderat brachte Gewinne für die SPD und Verluste für die PWV. Die SPD profitierte vom Verzicht Leonhard Seibs auf eine weitere Kandidatur. Die PWV musste Stimmen an den Mittelstandsblock abgeben. Von nun an war erstmals die SPD stärkste Fraktion im Gemeinderat.

Die Sitzverteilung 1959:

SPD10 (bisher 8)
PWV7 (bisher 9)
CDU5 (bisher 5)
MB2 (bisher 1)

Bei der PWV schieden C.G. Müller und Karl Kreis aus dem Gemeinderat aus


1960

1960 boomte in Weinheim die Wirtschaft so stark, dass erstmals ausländische Arbeitskräfte angeheuert werden mussten, zunächst 330 Spanier und 150 Italiener. Die Arbeitslosenquote betrug 0,3 %. Der Gedanke eines Parktiefhauses unter dem Dürreplatz, den die PWV befürwortete, fand keine Mehrheit. Zusammen mit der SPD erreichte die PWV jedoch die Einführung einer Kanalgebühr von 0.15 DM zum Ausgleich für die laufend steigenden Kosten. 1962 konnte das Großprojekt Sportstättenbau mit Hallenbad und Sporthalle unter einem Dach vollendet und eröffnet werden, ein schönes Geschenk besonders für die TSG 1862, die gleichzeitig ihr 100-Jahrjubiläum feiern konnte.Stadtrat Richard Freudenberg wurde 70 Jahre alt. Als erster erhielt er die neugeschaffene Weinheimer Bürgermedaille in Gold. Aus Anlaß seines Ehrentages stifteten seine Familie und seine Firma der Stadt 1.000.000 DM zur Mitfinanzierung städtischer Vorhaben. Als im November erneut die Hälfte des Gemeinderats zur Wahl stand, musste die PWV noch einmal einen Einfluss-Rückgang beklagen. Hermann Langer, Lydia Burschel und Philipp Zinkgräf schieden aus. An ihre Stelle traten der Maschinenbaumeister Viktor Bär und der in der Bevölkerung allseits beliebte Oberforstmeister i.R. Wilhelm Fabricius.